Geschichte

Oyamazumi-jinja-Schrein – Japans umfangreichste Samurai-Schatzkammer

Oyamazumi-jinja-Schrein – Japans umfangreichste Samurai-Schatzkammer

Versteckt auf der ruhigen Insel Omishima im Seto-Binnenmeer liegt der Oyamazumi-jinja-Schrein – ein altes Shinto-Heiligtum und über 1.400 Jahre lang ein heiliges Pilgerziel für Japans Krieger.

Der 597 gegründete Oyamazumi-jinja-Schrein dient als Kultstätte für den älteren Bruder der Sonnengöttin Amaterasu, Oyamazumi no Okami – ein Gott der Berge, Ozeane und Kriegsführung.

Infolgedessen haben Samurai in alten Zeiten Oyamazumi besucht, um für Erfolg im Kampf zu beten. Nachdem ihre Wünsche erfüllt wurden, kehrten diese Krieger zurück, um Oyamazumi no Okami ihre Waffen und Rüstungen als Dankopfer darzubringen.

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Der Gang durch das Torii-Tor, wo einst viele von Japans Kriegern ihre Geschenke ablegten, ist echter Nervenkitzel für jeden Geschichtsfan.

Zu meinem Erstaunen reichen die ausgestellten Waffen bis ins 10. Jahrhundert zurück und umfassen 80% der Samurai-Artefakte, die in Japan als nationale Schätze und wichtige Kulturgüter bezeichnet werden. Einige der riesigen Odachi, oder große Schwerter, sind 180 Zentimeter groß und wiegen fast fünf Kilogramm!

Obwohl Oyamazumi alle Artefakte in ihrer Sammlung fachmännisch konserviert und gepflegt hat, tragen viele der Waffen im Homotsukan-Museum noch immer die Spuren jener verzweifelten Konflikte, die ihre Besitzer gezwungen hatte, die Götter um den Sieg zu bitten – ein Zeichen, dass Sie hier keine Reproduktionsstücke finden. Prächtige Rüstungen, schimmernde Klingen, einschüchternde Helme und schöne bronzene Spiegel säumen die Vitrinen, von denen viele zu Japans berühmtesten Figuren gehören, darunter Yoritomo Minamoto, Japans erster Shogun, und Tomoe Gozen, eine berühmte weibliche Samurai des 12. Jahrhunderts.

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Die zwei ältesten Bäume in Oyamazumi, 2.600 und 3.000 Jahre alt, waren Zeugen der bewaffneten Prozession der berühmten Krieger, deren Reliquien nun Oyamazumis Schatzkammer zieren.

Ein Artefakt einer anderen berühmten Kriegerin ziert ebenfalls Oyamazumis Sammlung – ein kleiner, eng taillierter, mit blauem Faden gebundener Brustpanzer – die Rüstung von Tsuruhime, Japans Äquivalent zu Jeanne d’Arc.

Die Tochter des Oberpriesters von Oyamazumi wurde 1526 geboren, Tsuruhimes zwei ältere Brüder starben schon zuvor im Verteidigungskampf von Omishima gegen den Ouchi-Clan und auch ihr Vater starb 1541 an einer Krankheit. Als Folge dieser schweren Schicksalsschläge fiel die Führung des Schreins auf die 15-jährige Tochter. Doch kaum übernahm sie die Rolle des Oberpriesters, folgte eine erneute Invasion des Ouchi-Clans.

Tsuruhime, die seit ihrer Kindheit in der Kampfkunst ausgebildet wurde, übernahm das Kommando über Omishimas Streitkräfte und erklärte sich selbst nicht nur zur neuen Oberpriesterin, sondern auch als ein tatsächlicher Avatar des Kriegergottes des Schreins, Oyamazumi no Okami. In der darauffolgenden Schlacht zerstörten Tsuruhime und ihre Streitkräfte die Ouchi und vertrieben sie zurück ins Meer.

Als die Ouchi vier Monate später zurückkehrten, trafen sie erneut auf ein unüberwindliches Bollwerk in Form einer jungen Frau. Der Legende nach traf die Flotte von Tsuruhime die Ouchi-Schiffe auf offener See. Tsuruhime selbst führte eine Entertruppe gegen das Ouchi-Flaggschiff. Als sie an Bord war, forderte sie den General des Clans, Takakoto Ohara, zum Einzelkampf heraus.

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Auf einer Seite des Innenhofs von Oyamazumi befindet sich eine ansehnliche Ausstellung von Sake-Fässern und antiken Fotografien.

Wie es in der Geschichte heißt, waren Oharas respektlose Worte zu Tsuruhime scharf, aber nicht so scharf wie das Schwert, das sie als Antwort durch ihn zog. Um ihre Antwort zu betonen, befahl Tsuruhime ihren Streitkräften, eine Salve von horokubiya (Granaten) auf die Ouchi-Schiffe abzufeuern und sie erneut auf das Festland von Honshu zurückzudrängen.

Zwei weitere Jahre verteidigte Tsuruhime Omishima gegen seine hartnäckigen Rivalen auf dem Festland, bis schließlich ihr Verlobter, so wie ihre Brüder zuvor im Kampf gegen die Ouchi, fiel. Nach dieser Tragödie beging Tsuruhime im Alter von 17 Jahren rituellen Selbstmord, indem sie sich im Ozean ertränkte.

Doch genau als Tsuruhime beschloss, ihrem Leben ein Ende im Meer zu bereiten, wählte eine andere berühmte Persönlichkeit aus der Geschichte Japans – auch im Oyamazumi-jinja-Schrein geehrt – in gewisser Weise das Meer als seinen Ort der Wiedergeburt.

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Das Omishima Seefahrtsmuseum im Oyamazumi-jinja-Schrein beherbergt die ozeanischen Entdeckungen von Kaiser Hirohito sowie sein benutztes Boot.

Obwohl außerhalb von Japan kaum bekannt, verbrachte Kaiser Hirohito einen Teil seiner Zeit als Meeresbiologe. Sein Schiff, die Hayama Maru und zahlreiche Meerestiere, die während seiner Reisen in dem Setouchi-Binnenmeer entdeckt wurden, sind im Omishima Seefahrtsmuseum des Oyamazumi-jinja-Schreins ausgestellt.

Während man für das Schreinmuseum einen Eintritt von 1.000 Yen bezahlen muss, ist der Zugang zum Schrein selbst kostenlos und weist eigene Besonderheiten auf.

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The guardians at the gate of Oyamazumi stand regaled in armor, their weapons ready — an indicator of this shrine’s martial past.

Zunächst einmal stehen die Wächterstatuen am Haupttor, anstatt friedlich zu sitzen, in Rüstung und bereit für den Kampf – ein weiteres Zeichen der martialischen Geschichte des Schreins.

Darüber hinaus umgeben 200 der ältesten Kampferbäume Japans den Schrein, darunter sind zwei der ältesten – 2.600 bzw. 3.000 Jahre alt – geschmückt mit Shimenawa, heiligen Seilen, in Ehrfurcht für ihr Alter.

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Shimenawa, heilige Seile, wie der um den 3.000 Jahre alten Kampferbaum gewickelt, stellen eine der vielen Möglichkeiten dar, Göttern und Geistern in der Shinto-Tradition Respekt zu erweisen.

Das Gohonden, oder Hauptschreingebäude, das 1378 nach einem kriegsbedingten Feuer wieder aufgebaut wurde, ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Architektur von nagare-zukuri (Wellenstil). Dort, unter einem Dach aus japanischer Zypressenrinde, zieren ornamentale Holzschnitzereien mit Blumen die Querbalken des Schreins.

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Beautiful decorations adorn the shrine grounds, such as these lanterns which line the inner courtyard.

Im Laufe der Generationen erhielt der Oyamazumi-jinja-Schrein vom kaiserlichen Hof so viel Respekt, dass in der Nara-Zeit Nachbildungen davon in ganz Japan existierten. Heute ist es der einzige große Schrein in der Shikoku-Region.

Wenn Sie auf der Suche nach einem echten Einblick in Japans Kriegergeschichte sind, werden Sie im Oyamazumi-jinja-Schrein fündig.

Fotos & Text von Peter Chordas

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